Jetzt, wo ich über eine bescheidene Sammlung verfüge und viel auf dem Internet herumgeschaut habe, fällt mir allmählich ein Unterschied zwischen amerikanischen und europäischen Latzhosen auf.
Ich habe selber momentan im Schrank:
Amerikanisch: RoundHouse, Lee, Lee Megabib, Pike Brothers (im Grunde ja auch amerikanisch)
Europäisch: G-Star, Briggs, Lord (bin mir aber über deren Herkunft in den letzten zwei Fällen nicht ganz sicher). Dazu sehe ich viele europäische auf Internet, die ich nicht einmal haben möchte, aber für die meist zutrifft was ich hierunter schreibe.
Es kann sein, dass ich völlig daneben bin; ich bin daher auf eure Reaktionen und Erfahrungen in diser Hinsicht gespannt. Ich weiss also nicht sicher ob mein Eindruck stimmt - ihr könnt den vielleicht bestätigen, oder dagegen entkraften - aber es handelt sich m.E. um folgende Merkmale.
1. Amerikanische Latzhosen haben alle einen ziemlich großen Vorderlatz, der fast die ganze Brust bedeckt. Nicht umsonst heissen die dort (BIB-)Overall: sie gehen über alles. Bei europäischen Modellen gibt es viele, wo der Latz unterproportioniert ist (mein Briggs und Lord, trage ich daher nicht mehr); die Tendenz dazu ist fast immer da. Ich sehe hier von den speziellen Megalatz-Modellen (G-Star) ab, die ins andere Extrem gehen.
2. Amerikanische Latzhosen haben eine sehr große, und daher praktische Latztasche, meist zweigeteilt, wobei das Ganze symmetrisch und logisch angeordnet ist. Bei vielen europäischen Modellen herrscht oft Willkür und Asymmetrie vor, mit einer kleinen Tasche hier oder da; gelegentlich sind die Latztaschen ohne viel Nützen, es geht da nicht gut rein was man an an allerersten Stelle dort reinstecken will, ohne Risiko es zu verlieren: jetzt Handy und Sonne/Lesebrille. Auch gibt es bei den amerikanischen Latzhosen oft eine extra schmale senkrechte Kugelschreibertasche als Teil des Latztaschenkonglomerats.
3. Amerikanische Latzhosen schliessen alle mit zwei Seitenknöpfen (alle meinige), europäische oft mit drei (Briggs und Lord, ich weiss auch von anderen, die ich nicht habe).
4. Amerikanische Latzhosen liegen, wenn ganz zugeknöpft, seitlich eng an, vor allem dank dem obersten Knopf. Die Knöpfe besitzen hier, in Anbetracht der endgültigen Passform, wirklich eine nicht nur ästhetische, sondern konturgebende Funktion; europäische Modelle sind seitlich oft so locker angelegt, dass die Dreierknopfreihe zur Zierde wird.
5. Damit zusammenhängend: amerikanische Modelle haben nie Gürtelschlaufen - diese Latzhosen sind auf gürtelloses Tragen angelegt - und die europäische Modelle oft. Darin steckt irgendwie auch etwas überflüssiges: Träger sollten bei einer gutsitzenden Latzhose für eine gute Figur ausreichen; die Seitenknöpfe übernehmen dann zur seitlichen Einengung die Funktion des Gürtels um klotzig-zeltartiges zu verhindern.
Wenn ich über einer Erklärung nachdenke, komme ich erstmal auf Folgendes. Natürlich ist, was ich hierunter sage, schwarz-weiss gedacht, aber die Grundtendenz ist glaube ich doch diese; ich habe darüber auch schon kurz mit amerikanischen Latzhosenträgern diskutiert. In Europa ist Latzhosentragen überwiegend Frauensache, in Amerika jedoch Männersache. Hier daher eher, wenn im Alltag getragen, beeinflusst von Freizeitskleidungsforderungen, dort eher von Arbeitskleidungsforderungen. Europäische Frauen suchen sich keine Latzhosen um darin an einer Baustelle zu arbeiten, amerikanische Männer keine Latzhose für einen Mittag Funshopping mit Freundinnen.
Das bedeutet: modisches weicht jenseits des atlantischen Ozeans praktischem: das erklärt den großen Latz (Schutz vor Schmutz) und die ebenfalls praktischen großen Latztaschen, fürs Bauarbeit-Gerät. Überdies haben Latzhosen in Europa für Frauen auch Tradition als Schwangerschaftskleidung: dann sollen die locker und flexibel angelegt sein, sozusagen auf Wachstum und Schrumpftum zugleich.
Zur gleichen Zeit, so ergab sich aus einem Gedankenaustausch mit einem Amerikaner, sind Latzhosen in den USA, anders als in Europa, auch für Männer in einer urbanen Umwelt im Alltag so üblich - er ging auch selber selbtverständlich damit fast alltäglich ins Büro, auch bei mehr festlichen Angelegenheiten - dass keiner sich darüber wundert. Und weil Latzhosen an sich dort viel mehr zur Alltagskleidung gehören als bei uns, hat dies konkret Folgen, damit man auch tatsächlich immer einen tragen kann: man hat meist mehrere im Schrank (zugegeben, haben wir Latzhosen-bessene Forummitglieder auch - aber in den USA auch oft die nicht-Latzhosenbessene nicht-Forumsmitglieder).
Mein Kontaktmann betonte als großer Vorteil des BIB-Overalls dass man sie in den USA in manchen Gegenden fast überall tragen kann, bei jedem Anlass (das ist in Europa anders) - und daher oft mindestens über drei Exemplare verfügt: ein ganz altes und erbleichtes, für Gartenarbeit oder so; ein ordentlich eingetragenes, als alltägliche 'going-to-town' Latzhose; und einen dritten nagelneuen, noch richtig dunkelblauen 'sunday-go-to-meeting-BIB', den man zusammen mit einem frischem Hemd im Grunde bei jeder Gelegenheit und in der feinsten Gesellschaft - den wirklich ganz formellen und offiziellen, frackbedürftigen Anlässen ausgenommen - anziehen kann, ohne verblüfft angestarrt zu werden, weil man in einem solchen neuen BIB eben auch tadellos gekleidet ist.
Die Karriere einer einzelnen Latzhose folgt in der Praxis natürlich den umgekehrten Weg: von nagelneu über eingetragen zu abgetragen. Das bedeutet aber logischerweise, damit ein amerikanischer BIB als tadellose Kleidung anfängen kann, dass er dann auch vom Modell her einer solchen Umgebung gemäß sein soll. Dann muß eine Latzhose natürlich, trotz der praktischen Herkunft, doch gleich wie ein Anzug einigermaßen feingeschnitten sein und einigermaßen eng anliegen, damit er nicht zu schlottrig sitzt und man sich darin auch problemlos in einem etwas shickeren Kreis zeigen kann ohne gleich für einen klobigen Bauern gehalten zu werden.
Was hällt ihr von meinen Beobachtungen? Stimmen meine vorläufige Schlussfolgerungen? Weisst ihr vielleicht alternative Erklärungsmuster?
Seit Jahresanfang fast immer in einem echten amerikanischen BIB unterwegs
Da kann ich Dir im Großen und Ganzen schon recht geben. Die Latzhose ist ja von einem Sachsen (Ludwig Strasser= Levis) in Kalifornien für die Goldgräber entstanden. So mit musste sie Durabel sein (also schon ein mal ein schwerer Stoff) hierzu Dienten ihm der Segel- Stoff von den Schiffen. Sie sollten jeder Bewegung mitmachen, ohne einzuengen- Das tun sie in diesen Stoff auch immer noch. Und sie sollten die nötigen Dinge des Tages gut verstauen können- so gibt es die großen tiefen Seitentaschen. mit der Taschenuhr- Tasche (links) Zollstocktaschen und Hammerschlaufen fürs Werkzeug. Große Gesäßtaschen für die Geldbörse und eine Latztasche für Papiere(großes Fach), für einen Stift und für Münzen (so konzentriert, das die Münzen auch bei herunter gelassenem Latz nicht heraus fallen). Auch der Rückenlatz ist genial entwickelt, so das die Träger keine Gummis benötigen, die einen ja doch nur das Hemd aus der Hose ziehen und auch verhindern, das die Träger von den Schultern rutschen! Nun zum "in der Öffentlichkeit" tragen. Eine Hose mit diesen Vorzügen will man auch nicht in der Freizeit missen! Man sieht auf alten Bildern und in so manchen Western, das die Männer und Söhne auch mit den Latzhosen am Sonntag in die Kirche gehen- ja, warum auch nicht! Das war dann die neue gute Sonntags- Latzy! Vielleicht hat das den Uhrsprung bei den holländischen Aussiedlern???? Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir in den 50ger Jahren nach Holland fuhren, habe ich auch am Sonntag viele Männer und Kinder in Blaumann- Overalls herumlaufen sehen- sicherlich auch Bequemlichkeit und bei den Kindern, damit sie richtig toben konnten. Vielleicht hat das bei den Holländern schon eine lange Tradition?? Und es ist eine Art von Hosenschnitten, die ja nicht ausschließlich einem Berufszweig zugedacht wurde.
Zu den Gürtelschlaufen Latzy= es ist halt etwas für Pessimisten! :-) Ich vertraue meinen Trägern den Halt der Hose!
Die Arbeitslatzhose ist erst so richtig nach dem 2. Weltkrieg hier aufgekommen. Der deut. Arbeiter trägt Bunthose (dünn, als Schutzhose der Straßenkleidung) und Jacke! An die Bunthose hatte man dann ein rechteckigen Latz angenäht und am Rückenbund die beiden Träger als schmale Bänder mit einem Gummi auf den Schulten so dass die Träger beim Bücken nachgibt ( Die Tuchhose unter der Schutzhose lässt ein normales hoch rutschen ja nicht zu.) Als dann die Mode der Latzhosen damals in den 50ger Jahren zum ersten mal sich hier verbreitete, hat man den Schnitt der Berufs- Latzhosen genommen und nur eine etwas andere Stoff- Qualität genommen- so konnte sich nur bescheuert sitzen. dann hat man versucht sie etwas enger oder auch weiter zu machen, aber das Resultat war immer das Gleiche! So kam man auf die Idee der schlecht sitzenden Hose einen Gürtel zu geben ( so wie auch bei der Bunthose bewährt). Das die Träger dann noch leichter von den Schultern fielen wurde damit ausgeglichen das man es als Modespleen betrachtete die Hosen mit herab gelassen Latz zu tragen.
und so bescheuert sind sie immer noch! Leider! Eine Bunthose, an der man vorne und hinten jeweils einen Latz angenäht hat und zum einsteigen dann die Seitenähte etwas geöffnet hat, ist für mich keine wirkliche Latzhose sondern ein Krüppel! Gruß Hosenlatzy
es dürfte im Wesentlichen zutreffen, was Du geschrieben hast. Dein Blick ist ein amerikanischer, wobei das von den Niederlanden aus kein weiter Weg sein muss. Tatsächlich finden sich Latzhosen sehr verbreitet bei den Mennoniten in Nord- und in Südamerika, aber natürlich nur bei der männlichen Bevölkerung.
Bei meinen Carhartt ist sehr offensichtlich, dass sie als Überhose gedacht worden sind. Ein Ein- und Ausstieg mit Schuhen ist durch den im Vergleich zur ausgeprägten Taillierung weiten Beinschnitt möglich, und alle gefütterten Varianten lassen sich mittels Reißverschluss bis zum Knie oder bis zu Hüfte öffnen, so dass auch mit dicken Stiefeln das An- und Ausziehen kein Problem darstellt.
Das Praktische, vor allem die zweckmäßigen Taschen, steht bei amerikanischen Latzhosen im Vordergrund, zumal es in den letzten schwieriger geworden ist, Hemden mit hinreichend großen Taschen zu bekommen. Denn Schlüssel, Papiere, Mobiltelefon und Schreibgerät sowie Münzen sollen irgendwo untergebracht werden. Da sieht meine G-Star mit Mittelreißverschluss nicht allzu gut aus.
Ein Thema ist sicherlich die amerikanische Arbeitslatzhose für Frauen, die auch schon ziemlich alt ist in iher Entwicklungsgeschichte. Denn wer arbeitet, kann nicht alles Wichtige der Handtasche (und dem zugehörigen -Dieb) überantworten.
Also was Hosenlatzy zur Erklärung der europäischen/deutschen Latzhosenform schreibt, ist schon interessant. Blaumann-Overalls (auf amerikanisch: coveralls, weil die alles bedecken, im Unterschied zu den (BIB)-overalls, also unsere geliebte Latzhosen) werden bei uns auf dem Land schon noch gelegentlich von Kindern getragen, nur gibt es in unserer hollänischen Post-Industrie-Gesellschaft kaum offenes Land mit Bauern mehr.
[ Editiert von Latzhosentom am 14.03.14 14:49 ]
Seit Jahresanfang fast immer in einem echten amerikanischen BIB unterwegs
ZitatGepostet von Uwe = Uwe Dein Blick ist ein amerikanischer, wobei das von den Niederlanden aus kein weiter Weg sein muss. Bei meinen Carhartt ist sehr offensichtlich, dass sie als Überhose gedacht worden sind. Das Praktische, vor allem die zweckmäßigen Taschen, steht bei amerikanischen Latzhosen im Vordergrund, zumal es in den letzten schwieriger geworden ist, Hemden mit hinreichend großen Taschen zu bekommen. Denn Schlüssel, Papiere, Mobiltelefon und Schreibgerät sowie Münzen sollen irgendwo untergebracht werden. Da sieht meine G-Star mit Mittelreißverschluss nicht allzu gut aus
Hallo Uwe,
Na ja, so nah sind die USA auch nicht für uns! Also, für den Carhartt trifft im Grunde dassselbe zu als für meinen Pike. Mein G-Star ist schon praktischer, hat trapexfoermige Taschen, wo nichts rausfallen kan - aber ganz gross sind die nicht. Den G-Star mit Reissverschluss kenne ich übrigens nicht. Gibt es irgendwo Bilder davon?
Seit Jahresanfang fast immer in einem echten amerikanischen BIB unterwegs
Und oh ja: die Latztasche für Handy und Brille ist deshalb so praktisch, weil die nie in einer Hemdtasche passen, und man sonst die (Innen)Tasche einer (Jeans- oder Anzugs-)Jacke braucht. Darin im Büro zu arbeiten finde ich aber sehr unbequem, die extra Stoffschicht hindert bei den freien Bewegungen hinterm Komputer oder am Schreibtisch. Bei einer Latzhose erübrigt sich eine Jacke daher auch aus praktische Gründen - und ist zugleich die am meisten Kälte-empfindliche Stelle des Koerpers (Brust und Rücken) warm geschützt.
Seit Jahresanfang fast immer in einem echten amerikanischen BIB unterwegs
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@ Latzhosentom:
Du fragtest nach Bilder der G-Star-Latzhose mit Mitelreissverschluss.
Dieser Verkäufer versucht schon lange, die Latzhose zu gehobenem Preis zu verkaufen, obwohl der Markt bei diesem Zustand vermutlich etwa 60 EUR hergeben würde:
Achtung: die Bilder sind unnötig groß, entsprechzend die Ladezeit. Die Hose ist am Bein sehr gerade geschnitten, was schon ein wenig extrem wirkt. Ansonsten finde ich den Schnitt schön, man sollte die Hose aber deutlich kleiner nehmen als angegeben.
Herzliche Grüße, uwe
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Du fragtest nach Bilder der G-Star-Latzhose mit Mitelreissverschluss.
Dieser Verkäufer versucht schon lange, die Latzhose zu gehobenem Preis zu verkaufen, obwohl der Markt bei diesem Zustand vermutlich etwa 60 EUR hergeben würde:
Achtung: die Bilder sind unnötig groß, entsprechzend die Ladezeit. Die Hose ist am Bein sehr gerade geschnitten, was schon ein wenig extrem wirkt. Ansonsten finde ich den Schnitt schön, man sollte die Hose aber deutlich kleiner nehmen als angegeben.
Herzliche Grüße, uwe
In der Tat, Uwe, die Bilder sind wenig aussagekräftig und der Preis schon sehr ambitioniert. Passt denn der angegebene Neupreis von ca. 280,-- € so in etwa?
Ich kann den angegebenen Preis weder bestätigen noch dementieren. Jedenfalls wurden etliche nicht-verkaufte Exemplare über eBay verkauft, zu Preisen zwischen 40 und gegen 80 EUR, wenn ich mich recht erinnere. So kam ich auch zu meinem Exemplar. LG, Uwe
Es gibt ja diese Klassischen Europäischen Latzhosen, wie diese blauen Baumarkt-Teile mit PVC Steckschnallen oder die Britischen mit dem Typischen Rückenlatz der sehr breit ist.
Sonst kann ich es aber nicht bestätigen. Diesel aus Italien macht ganz andere Layouts als die Franzosen aus Paris oder andere Europe-Designer.